20.10.2014
“Mut zur Lücke!” - Freya again on Tour (Etappe #4) (Geschichte)
(669.
Fahrtentag?): Freya Hoffmeister ist
wieder unterwegs. Nunmehr das vierte Jahr! Sie will jetzt endlich die Umfahrung
von Südamerika im Kajak zum Abschluss zu bringen.
Eigentlich
wollte Freya am Ende der 3. Etappe in Fortaleza (Brasilien) anlanden. Aber bis
dahin hätte sie einen ca. 600 km langen Brandungsgürtel überwinden müssen. Sie
startete wohl noch am 25.4.12 einen Versuch durch die Brandung. 2-3 m hohe
Brecher und Gegenwind & -strom ließen sie jedoch kaum vorankommen.
Teilweise paddelte sie nur im Zeitlupentempo, d.h. mit 1-2 km/h statt mit dem
sonst üblichen Gepäckfahrtentempo von
4-5 km/h. Nur 15 km kam sie an diesem Tag voran. Das gab ihr den Rest
und raubte ihr ganz plötzlich sämtliche Motivation, im Endstadium ihrer 3.
Etappe auch nur noch einen einzigen Tag dort entlang der Brandung zu paddeln.
Fast 6 Monate
später kehrte nun Freya am 19.10.14 wieder zurück und schlug ihr erstes
Nachtlager genau an jenem Strandabschnitt auf, wo sie bei ihrer 3. Etappe
aufgab und zum nächstgelegenen Ort Humberto des Campos zurückpaddelte.
Gute Bekannte aus San Luis haben sie vom nahen Flughafen abgeholt und
auf Umwegen über Travosa direkt an den Strand gebracht.
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Foto: Transportgemeinschaft
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Foto: Strandstillleben ohne Freya
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Brandung bis über den
Horizont hinaus
Einen Tag
später, am 20.10.14, war es dann so weit. Es sollte ihr 669. Fahrtentag werden. Aber die Gewässerbedingungen ließen
keine Freude aufkommen. Sie waren schlechter, als sie am 25.4.14 beschloss,
ihre 3. Etappe zu beenden. Es blies ein 5er Gegenwind. Der Brandungsgürtel
reichte bis zum Horizont. Das war das erste Mal, dass Freya in ihrem Blog
zugestand, keinen Drive mehr zu haben, bei diesen Bedingungen auf Tour zu
gehen; denn solche Wind- und folglich Seegangsbedingungen waren in dieser
Region nicht nur für Oktober, sondern für das ganze Jahr typisch.
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Windprognose (Nordost-Spitze Südamerikas)
http://www.windfinder.com/weather-maps/forecast/#6/-5.616/-37.969
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Frühestens
nach ca. 1.000 km etwa in Höhe von Touros (Santa Luzia), wahrscheinlich
jedoch erst nach weiteren ca. 350 Kilometern in Recife, nahe des
östlichen Punktes Brasiliens, konnte Freya mit einer Verbesserung der
Gewässerbedingungen rechnen, d.h. mit Wind & Strömung von achtern und das
alles bei weniger Brandung.
„Mut zur Lücke“
Der „Knoten“
in ihrem Bauch, den sie sofort spürte, als sie mit ihren Bekannten aus Sao Luis
am Strand stand und hinaus auf die offene, weiße See schaute, hatte sich am
nächsten Tag, ihrem Starttag zur 4. Etappe zu einem „Doppelknoten“ entwickelt;
denn Freya wurde hier mit Gewässerbedingungen konfrontiert, die sie bislang an
Land „aussaß“. Hier war nur an ein Paddeln während der Ebbzeit möglich,
eigentlich nur zwischen 2 Std. nach Hochwasser bis Niedrigwasser, d.h. ca. 4
Std. Nur während dieser Zeit brandeten die Brecher mit weniger Wucht auf den
mehr oder weniger steilen Strand. Was für Aussichten. Bei 2-3 km/h
Fahrtengeschwindigkeit käme sie dann täglich max. 12 km voran. D.h. statt ca.
25 Paddeltage würde sie nun über 80 Paddeltage benötigen, um dann endlich mit
Unterstützung des „Südost-Passats“ und des „Brasil-Stroms“ gen Süden zum
immerhin noch ca. 4.500 km entfernt liegenden Buenos Aires (Argentinien)
paddeln können, ohne tagtäglich beim Starten und Anlanden durch die Brandung
mit dem Risiko leben zu müssen, nicht nur ihre Ausrüstung zu verlieren, sondern
gleich auch noch ihr Leben. Freya hatte also eine Entscheidung zu treffen. Das
fiel ihr dieses Mal nicht so leicht wie damals während ihrer 2. Etappe, als sie
erkannte, dass Gegenwind & -strom es ihr unmöglich machten, Südamerika in
drei Etappen zu umrunden:
„Was soll das? Nur um
die erste Person zu sein, die diesen nicht enden wollenden Sandstrand entlang
gepaddelt ist, und das gegen den Wind? Nur um die erste und einzige Person zu
sein, die Südamerika vollständig umrundet hat? Ja, das ist mein Ziel und es
bleibt mein Ziel …. auch wenn es jetzt eine kleine „Lücke“ bekommt. Diesen „Mut
zur Lücke“ zu haben, das fällt mir verdammt schwer. Fühlte ich mich doch nach 6
Monaten „Urlaub vom Paddeln“ fit, die Umrundung zu vollenden. Es war wohl meine
härteste Entscheidung, die ich - seitdem ich hier in Südamerika unterwegs bin –
getroffen habe, aber wohl auch meine vernünftigste. Nein, ich will nicht, dass
ich eines Tages das Paddeln hassen werde, wozu es aber unweigerlich nach
wenigen Tagen kommen würde, wenn ich mich daran machte, jetzt bei diesen
Gewässerbedingungen die Umrundung lückenlos fortzusetzen. Was soll’s? Ich
glaube, ich habe bewiesen, dass ich bei jeden Bedingungen paddeln kann, und
zwar über Tage & Nächte, über Wochen und Monate. Die Freude am Paddeln war
meine Motivation. Was spricht dafür; diese Freude aufs Spiel zu setzen?
Vielleicht musste ich erst 50 Jahre auf dem Buckel haben, um dies zu erkennen
und diese Entscheidung, auf eine „lückenlose“ Umrundung von Südamerika zu
verzichten, treffen zu können?“
Was jetzt?
Freya hofft
nun, dass ihre Bekannten aus Sao Luis sie abholen und zum ca. 1.300
Küstenkilometer entfernt liegenden Recife bringen werden. Das kann etwas dauern
& kosten. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht nutzt sie ja den Transfer,
um entlang der Küste vorbei an Camocin, Fortaleza, Macau und Touros zu fahren
und die Küste mal aus der Autofahrerperspektive kennen zu lernen? Vielleicht
ändern sich ja auf dem Weg zur Ostecke Brasiliens zumindest die Wind- und somit
auch die Seegangsbedingungen? Vielleicht hält sie es dann an Land nicht mehr
aus? Vielleicht hat sie dann wieder Lust zum Paddeln, Paddeln, Paddeln ……?
Text: Udo Beier
Link: http://freyahoffmeister.com/2014/10/20/update-from-sat-phone-26/